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NeoNature—A Lecture
Lecture:
Year:
Institution:
Teaching
2021
HTW Berlin
In Winter 2020/21 I taught the first all online semester at htw Berlin. It was a drastic change for the students and myself – we never met in real live – everything was done online. What now seemes completely normal, was then a very new way of working together. Nevertheless, the Students managed to do an incredible amount of high quality work. Taking the naturewriting classic novel "Pilger at Tinker Creek" by Annie Dillard as a starting point, the students entagled the nature reading with their own view and perception on nature - all under the impression and shadow of the climate change. How does a young generation perceive nature, which romantic and hands-on ideas come up when working on nature, how can we make a change. The outcome of the course is a selection of divers works related to bookmaking and graphic design. Everything was carefully documented and layoutet in the form of a compendium that documents the process of the course. The book was designed by Franziska Saischek and Melanie Kirberg-Böhm.
NEO-NATURE „Naturewriting in Zeiten von Pandemie und Klimakatastrophe Neue buchgestalterische Interpretationen des Naturerfahrungsklassikers „Pilger am Tinker Creek“ — Soweit der Titel des Kurses den ich mit meinen Studierenden aus dem Fachbereich Kommunikationsdesign im Wintersemester 20/21 an der HTW Berlin gegeben habe. Zu Beginn des Kurses – im Oktober 2020, hatten wir viel vor: In unserer kritischen Auseinandersetzung mit dem Thema Büchermachen und Buchgestaltung, wollten wir uns mit realen globalen Problemen beschäftigen, die schon vor der Pandemie dringlich waren – und es jetzt nicht minder sind. Zum Beispiel mit der Fridays for Future Bewegung, die es sich zur Aufgabe macht, unseren Planeten als Lebensraum für zukünftige Generationen von Menschen und allen Lebewesen zu erhalten und vor der drohenden Klimakatastrophe zu schützen. Mit den kapitalistischen Strukturen und Warenströmen, die so komplex und unnachvollziehbar sind, dass wir nur mit einer großen Achtsamkeit die Abstraktion dieser Prozesse zu durchschauen vermögen. Unser Ausgangspunkt sollte die Nature-Writing Publikation „Pilger am Tinker Creek“ von Annie Dillard sein. Das Buch von 1974 ist nicht nur besonders, weil es in einer Zeit, in der Naturwissenschaften und Kontemplation vornehmlich Männern vorbehalten waren, von einer Frau verfasst wurde. Sondern auch, weil Dillards genaue Beobachtung und poetische Beschreibung von Natur ihresgleichen sucht. Die Detailgenauigkeit ihrer Naturbeobachtung eröffnet in unserer heutigen, von filtermanipulierten ubiquitären Digitalfotografie dominierten Epoche eine neue alte Methode des Festhaltens und Teilens einer persönlichen Erfahrung aus prä-Internetzeiten. 2021. Hinter uns liegt Jahr eins der Pandemie. Das Leben hat sich enorm verändert seit 2019. Das gilt auch für unseren Kurs. Unsere Arbeitswelt findet bereits seit vielen Jahren zunehmend im digitalen Raum statt. Zoomkonferenzen, Clouds. Doch das jetzige Level an virtueller Realität, in der wir unser Leben verbringen, ist nochmal eine massive Steigerung. Ein „Pandemic Shift“. Die haptische, sinnliche Welt, entgleitet unserem Alltag – wird dünner, tritt zurück. Auch in der Lehre ist dies sehr spürbar. Das Wintersemester 2020/21 haben wir komplett digital abgehalten und erlebt. Alle Teilnehmer*Innen dieses Kurses sind sich nur virtuell begegnet, alle Interviews wurden in Zoom geführt – es gab keine echten Begegnungen. Dennoch haben wir es geschafft sowohl einen Spannungsbogen und eine Dramaturgie in unserem Kurs zu erhalten als auch gemeinsam ein finales Produkt – ein haptisches, real existierendes Buch – zu schaffen. Das vorliegende Buch kann als vieles gelesen werden: Eine Kursdokumentation dieses Hauptprojektes, eine Hommage an Annie Dillards Publikation „Pilger am Tinker Creek“, eine Sammlung zeitgenössischer Designpositionen der Generation Covid, ein Leitfaden oder eine Interviewreihe zum Thema Buchgestaltung u.v.m. Auf der Metaebene berührt dieses Buch Fragestellungen die weit über die inhaltliche Thematik weist: Wie gestaltet sich ein kollektiver Arbeitsprozess, wenn ich die Menschen, mit denen ich arbeite und kommuniziere nicht mehr sehen, berühren, riechen und deren Aura spüren kann? Wie können Designinhalte – Wissen um uralte haptische Fähigkeiten und Materialien wie das des Büchermachens – vermittelt werden, ohne analoge Anwesenheit? Wird das Buch als Medium – in seiner haptischen Unmittelbarkeit, seiner unausweichlichen Materialität – postpandemisch denn überhaupt überleben können? Auf diese sich unmittelbar aufdrängende Frage nach der Zukunft des Buches, hat uns Jan Wenzel von Spector Books eine zuversichtlich-apokalyptische Antwort gegeben, die ich hier zitieren möchte: „Ich habe eine hohe Skepsis gegenüber digitalen Inhalten als Speichermedium, denn sie sind ganz anders kontrollierbar. Die politischen Systeme sind nirgends so stabil, dass man blindes Vertrauen darin haben könnte, dass digitale Inhalte nicht eines Tages gelöscht würden und somit für immer verloren gehen. Im Laufe der Jahrhunderte wurde immer wieder versucht, bestimmte Bücher aus dem Verkehr zu ziehen. Es ist jedoch nie ganz gelungen. Das Medium Buch ist deshalb das Medium, zu dem ich das größte Vertrauen habe. Es ist robust und unterhält jahrhundertealte Infrastrukturen, um dessen Zugänglichkeit und Aufbewahrung zu sichern. Im Anthropozän müssen wir ganz andere Zeiträume überschauen als einen zwei/drei Wochenzeitraum. Wir müssen dreißig, hundert, fünfhundert Jahre auf Informationen zurückgreifen können. Das ist für mich wirkliche Freiheit. So können wir mit jemandem kommunizieren, uns mit jemandem verbinden, der 500 Jahre zuvor gelebt hat.“ Jan Wenzel, Spector Books Das Buch als robuster, geduldiger und dauernder Fels in der Brandung – Ein zuversichtlich, Hoffnung gebendes Bild, das wir mit dieser Publikation ein Stück weit mit heraufbeschwören möchten.
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NeoNature—A Lecture
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2021
HTW Berlin